Für Anselm Kiefer ist Malerei Weltdeutung, deren Zauber in ihrer Vieldeutigkeit liegt. 1945 in Donaueschingen geboren, gehört er zu den bedeutendsten bildenden Künstlern der Gegenwart.
Trotz einer erstaunlichen künstlerischen Entwicklung, die ihn von der Performance über die Malerei bis hin zur Skulptur führte, lassen sich wesentliche große thematische und motivische Komplexe in seinem Werk ausmachen. Es sind dies die Welt der Religionen und ihrer (Auferstehungs-)Mythen, die germanische Mythen- und Sagenwelt und ihre historischen Schnittmengen, die jüngste deutsche Geschichte, die er an "Deutschlands Geisteshelden" festmacht und schließlich die Materialien der modernen Erinnerung und ihrer Überlieferungsträger, allen voran das Buch und die Fotografie. Bei all dem betritt Kiefer den Boden der Geschichte zwar als Provokateur, doch stets auch unter der Prämisse des potentiell Mitschuldigen, der er, eine frühere Geburt vorausgesetzt, hätte sein können. Seine Künstlerbücher sammeln, ordnen und bewahren die Indizien und Ausgangspunkte solcher historischer Varianten, die er in die eigene Biographie projiziert. Oftmals entsteht Bedeutung bei ihm aus dem Zusammenwirken von Bild und Schrift. Seine Bildtitel, häufig Zitate von Celan bis Bachmann, bewegen sich auf der Grenze zwischen Symbolischem und Konkretem, da in den Augen des Künstlers Kunst immer auch mit der Aneignung des Unbegreiflichen sowie der Aufarbeitung jener Residuen zu tun, die aus der Lebenswelt des Einzelnen üblicherweise ausgeblendet sind. Mit zahlreichen zum größten Teil bislang nicht gezeigten neuen Bildern und Objekten, die neben den klassischen Malerfarben Acryl und Öl auch Materialien wie Blei, Asche, Scherben, Kleidungsstücke oder Schlangenhaut aufweisen, begleitet der vorliegende Band die erste große Schau des Künstlers in Deutschland seit mehr als 10 Jahren.