Wilhelm Herrmanns Ethik nimmt eine einzigartige Stellung in dieser theologischen Disziplin ein. Sie unterscheidet methodisch nicht zwischen einer philosophischen und einer theologischen Ethik und sucht damit der Allgemeinheit der Sittlichkeit gerecht zu werden. Diese Einheit gründet darin, die Genese des individuellen sittlichen Subjekts als den Ursprung des sittlichen Verhaltens zu verstehen. Die Ethik gewinnt dabei den Charakter einer Anleitung zur Selbstfindung des Menschen, der verantwortlich zu handeln bestrebt ist. Sie läßt damit den Traditionalismus einer Gebotsethik ebenso hinter sich wie den Konsequentialismus einer Güterethik. Insbesondere zeigt Herrmann, inwiefern der christliche Glaube Authentizität des Selbstseins und Verantwortlichkeit des Handelns aufs engste miteinander verknüpft. Seine Gestalt christlicher Ethik darf heute auf besondere Aufmerksamkeit rechnen.
war Professor für Systematische Theologie in Marburg.